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Oettinger Rockets steigen in die Basketball-Bundesliga auf

4. Mai 2017
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Nach der Schlusssirene kannte der Jubel keine Grenzen mehr. Menschen lagen sich in den Armen, feierten, weinten, lachten. Wenige Sekunden später rannte Darrel Mitchell quer über das Feld zu den eigenen Fans. Er hatte erneut großen Anteil daran, dass die Oettinger Rockets gegen die Niners Chemnitz gewinnen konnten. Am vergangenen Mittwoch lautete der Endstand in der Richard-Hartmann-Halle 67:70. Doch das Ergebnis des Auswärtserfolges rückte sofort nach Spielende in den Hintergrund, denn etwas Größeres war nun Realität: Die Oettinger Rockets sind in die 1. Basketball-Bundesliga – die easyCredit BBL – aufgestiegen.

FC Bayern München Basketball, Brose Bamberg oder ratiopharm Ulm und viele weitere werden sich in der kommenden Saison mit den Oettinger Rockets messen wollen. Nationalspieler lassen sich in der Messe Erfurt blicken und auch nicht unwichtig: Mit Science City Jena und den Rockets spielen dann zwei Mannschaften aus dem Freistaat in der ersten Liga und so findet das stets umkämpfte Thüringen-Derby wieder statt.

Bei dieser rosigen Zukunft ist die Geschichte dahinter umso unglaublicher. Im Vorfeld der Saison wurde Wolfgang Heyder als neuer Mann bei den Oettinger Rockets vorgestellt. Er zieht gemeinsam mit Geschäftsführer Thomas Fleddermann die Fäden und ist unter anderem für spektakuläre Neuzugänge verantwortlich. Ohne ihn wäre der Sprung in die BBL wohl zu hoch gewesen.

Das frisch zusammengestellte Team überzeuge dann im späten Sommer vergangenen Jahres bei zahlreichen Testspielen – etliche von ihnen auch gegen Erstligisten. Doch dann begann die Saison der 2. Basketball-Bundesliga ProA. Die Raketen hatten das Eröffnungsspiel der Liga und gaben die ersten zwei Punkte direkt an den Gegner ab. Dieser hieß schon am 22. September 2016 Niners Chemnitz.

Die anschließende Saison verlief über viele Berge und Täler. Die Konstanz fehlte und nicht selten das Brennen in den Augen. So hatte das hoch gehandelte Team zum Jahreswechsel schon zehn Niederlagen auf dem Konto und musste um den Einzug um die Play-Offs fürchten. „Das war für uns der Moment, die Reißleine zu ziehen“, sagte Wolfgang Heyder. So kam es neben insgesamt vier Neuzugängen und zwei Abgängen unter der Saison auch zum Trainerwechsel. Ivan Pavic und Florian Gut trainierten und coachten fortan den Zweitligisten. Nach dem alternativlosen Umzug in die Messe Erfurt und der generellen sportlichen Unzufriedenheit war das ein weiterer Punkt, der Unruhen in der Fangemeinschaft auslöste.

Ruhig, entspannt und gelassen war es selten im Hause der Oettinger Rockets. Ivan Pavic reihte dann eine starke Siegesserie (5) und eine Serie von Niederlagen (3) aneinander. Er arbeitete anfangs sehr viel im athletischen Bereich „und von daher war mir klar, dass ein Loch kommen wird. Dass es aber so groß ist, habe ich nicht erwartet“, meinte Ivan Pavic. Dadurch landeten die Oettinger Rockets nach 30 Spieltagen etwas holprig auf dem siebten Tabellenplatz.

Nach dem Play-Off-Modus mussten sie nun gegen die Zweiten aus Crailsheim ran – nicht gerade die beste Aussicht auf ein Weiterkommen. Doch Mannschaft strafte Kritiker und Schwarzmaler und setzte sich letztlich sogar recht souverän mit 3:1 gegen die Crailsheim Merlins durch. Kleine Fußnote: In den Play-Offs, also im Viertel- und Halbfinale, spielen zwei Mannschaften so lange gegeneinander, bis eine von beiden drei Siege sammeln konnte.

Nach diesen Auftritten mit Kampf, Biss und schönem Basketball waren plötzlich alle wieder wach und wollten mehr. Doch erneut gab es einen moralischen Dämpfer. Der Halbfinalgegner Chemnitz erwischte die Thüringer zu Beginn der Serie auf dem falschen Fuß. Die Niners Chemnitz führten plötzlich mit 2:0. Ein weiterer Sachsen-Sieg – und die Rockets-Saison wäre beendet.

Dabei ging es doch um so viel: Mit dem Einzug ins Finale der 2. Basketball-Bundesliga ProA stehen die beiden Aufsteiger in die easyCredit BBL fest. Auf der anderen Seite marschierte der Mitteldeutsche Basketball Club aus Weißenfels durch den Turnierbaum und wartete dann nur noch auf seinen Finalgegner.

Mit dem Rücken zur Wand zeigten die Oettinger Rockets ein anderes Gesicht, erkämpften mit zwei Siegen den Ausgleich in der Serie und erarbeiteten sich das Endspiel ums Finale in Chemnitz. Der 3. Mai 2017 wurde dann zu dem Tag, an dem alle Fäden zusammenliefen.

Für den einen ist es Zufall, ein anderer denkt möglicherweise an Vorsehung. Nicht nur, dass die Spieler Darrel Mitchell seinen 33. und Jonas Grof seinen 21. Geburtstag am Mittwoch feierten, auch etwas Bewegenderes hängt mit diesem Datum zusammen. Schon vor der Saison sagte Vereinspräsidentin Astrid Kollmar: „Als wir vor fast 20 Jahren mit Basketball in Gotha begonnen haben, hatte mein Mann schon gesagt, dass wir irgendwann in der ersten Liga spielen werden. Dafür wurde er von einigen sehr belächelt. Jetzt sind wir aber schon sehr nah dran.“ Dirk Kollmar verstarb viel zu früh im Alter von 50 Jahren am 3. Mai 2014. Zu Saisonbeginn feierte die Oettinger Brauerei ihr 25. Jubiläum am Standort Gotha. Damals wurde ein Teilstück der Gothaer Leinastraße in Dirk-Kollmar-Straße umbenannt und an seinem dritten Todestag steigen seine Oettinger Rockets und somit sein Basketball in Gotha e. V. in die erste Bundesliga auf. Viele Fans und auch Astrid Kollmar selbst sagten nach dem Spiel, er habe von oben geholfen.

Die Partie am vergangenen Mittwoch begann leicht verspätet, weil die Schlangen am Einlass noch zu lang waren. Ein erstes Indiz für die grandiose Stimmung im Anschluss, an der sich beide Fanlager stark beteiligten.

In den ersten drei Vierteln kamen die Oettinger Rockets nicht über jeweils 16 Punkte hinaus. Auch die Chemnitzer trafen längst nicht alle ihre Würfe, dominierten aber bis zu den letzten zehn Minuten das Geschehen. 48:41 stand es nach einer halben Stunde. Das sind relativ wenig Punkte. Im letzten Viertel (19:29) explodierten dann die Raketen und allen voran Darrel Mitchell, der nach eigener, bescheidener Aussage noch nie ein schöneres Geburtstagsgeschenk bekommen hat. Bescheiden, weil er selbst der Motor für den Endspurt war. Mitchell entschied mit ganz viel Mumm und drei versenkten Dreiern in der Schlussphase das Spiel.

Dabei wurde er bei seiner Ankunft in Thüringen Ende letzten Kalenderjahres von vielen Fans noch als Fehleinkauf verteufelt. Der Grund: Mitchell kam aus der Arbeitslosigkeit und war nicht fit. Unter Ivan Pavic wurde er der Mann des Halbfinales. In vier der fünf Spiele gegen Chemnitz war er Topscorer der Oettinger Rockets. So auch am Mittwoch mit 19 Punkten und fünf Assists. Mit 18 Punkten und 13 Rebounds machte Robert Oehle ebenfalls eine Klasse-Partie.

Mittlerweile wissen die Fans, was sie an ihrem Aufbauspieler haben und er scheint es ihnen nicht krumm zu nehmen. Rannte Mitchell doch wie erwähnt nach der Schlusssirene direkt in die jubelnde Fanmenge.

„Ich freue mich unheimlich für Astrid Kollmar, Wolfgang Heyder und die Spieler. Die Jungs haben hart arbeiten, kämpfen und schwitzen müssen. Sie haben sich den Erfolg verdient“, sagte Ivan Pavic, der bekräftigte, dass er als Interims-Trainer eingesprungen ist und sich schon auf die Zeit mit seiner Frau und seinen Kindern freut.

Darauf muss Pavic noch ein wenig warten. Beendet ist die Saison noch nicht, die Finalspiele stehen noch aus. Auch wenn in zwei Partien der Zweitliga-Meister bestimmt wird, sind sich die Verantwortlichen einig, dass sie keine große Rolle spielen. Gemeinsam mit den Wölfen vom MBC geht es nun darum, den Aufstieg ins Basketball-Oberhaus zu feiern. Die Fahrt nach Sachsen-Anhalt könnte sich sehr lohnen, harmonieren die beide Fanlager doch sehr gut. Seit der Play-Off-Serie gegen Crailsheim feuerten einige „Wölfe“ die Oettinger Rockets live in der Halle an. Die orangenen T-Shirts der Weißenfelser waren in der blauen Menge in der Messe Erfurt wie auch in Chemnitz gut zu sehen. Das ist auch Ivan Pavic nicht entgangenen, der sich über diesen Umstand freute.

Beide Finalspiele finden im 130 Kilometer entfernten Weißenfels statt: das erste am 5. Mai um 19.30 Uhr, das zweite am 7. Mai um 16.30 Uhr.