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Antrittsvorlesungen – Von Stadtentwicklung über Co-Beratung bis hin zur Interaktionsgestaltung

3. Mai 2015
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Am 7. Mai lädt die Fachhochschule Erfurt um 17 Uhr Hochschulmitglieder und Interessierte in den Festsaal des Erfurter Rathauses ein. Die Professorinnen Dr. Katrin Großmann (Fakultät Architektur und Stadtplanung) sowie Dr. Ines Herrmann und Dr. Regina Remsperger (beide Fakultät Angewandte Sozialwissenschaften) stellen sich mit 30-minütigen Antrittsvorlesungen der Öffentlichkeit vor. Ihre Tätigkeit wurde durch das gemeinsam von Bund und Ländern aufgesetzte „Professorinnenprogramm“ möglich.
Professorin Großmann (Fachgebiet Stadt- und Raumsoziologie) spricht zum Thema „Anwaltschaft, Sachlichkeit und analytische Distanz: Zur Verantwortung der Stadtsoziologie für die Stadtentwicklung“. Professorin Herrmann (Fachgebiet Methoden der Sozialen Arbeit, Schwerpunkt Beratung) referiert über „Co-Beratung als Standard in der systemischen Beratung mit Paaren? – Wirklichkeiten und Möglichkeiten eines Ideals“, ihre Kollegin Professorin Remsperger (Pädagogik der Kindheit) über „Auf das WIE kommt es an! Zur Interaktionsgestaltung in Bildungsprozessen“.

Zum „Professorinnenprogramm“:
Die Hälfte aller jungen Menschen, die ein Studium beginnen ist weiblich. Aber nur etwa ein Fünftel der Professuren sind mit Frauen besetzt.
Gemeinsam von Bund und Ländern wurde daher 2007 das Professorinnenprogramm ins Leben gerufen, um den Anteil der Professorinnen zu erhöhen. In zwei Phasen wurden für dieses Ziel zusammen 300 Mio. Euro zur Verfügung gestellt. Jene Hochschulen, die ein überzeugendes Gleichstellungskonzept vorlegten und positiv begutachtet wurden, konnten bis zu drei Professorinnen fünf Jahre lang finanziell gefördert bekommen. Gleichzeitig sollten durch speziell auf die jeweilige Hochschule ausgerichtete gleich-stellungsfördernde Maßnahmen die Gleichstellungsstrukturen an den Hochschulen verbessert werden.
Bereits in der ersten Runde des Programms war die Fachhochschule Erfurt erfolgreich und hatte für zwei Professorinnen zusätzliche Mittel erhalten. 2014 hatte sich die Hochschule erneut mit ihrem weiterentwickelten Gleichstellungskonzept für eine Teilnahme an der zweiten Phase des Programms qualifiziert. Tatsächlich konnten dann auch drei Professuren mit Frauen besetzt werden, die ihre Tätigkeit bereits im Wintersemester 2014/2015 an der Fachhochschule Erfurt aufnahmen.

Details zu den Inhalten der Vorträge und den Referentinnen:

Die Rolle der Stadtsoziologie für die Stadtentwicklung steht im Mittelpunkt des Vortrags von Professorin Großmann. Die Disziplin der Stadtsoziologie ist bekannt für eine enge Verzahnung ihrer Debatten mit aktuellen Fragen der Stadtentwicklungspolitik. Hier spielt sie eine durchaus ambivalente Rolle, Stadtsoziologen treten als Anwälte auf für soziale Fragen in Städten, jüngst etwa in der Debatte um Gentrifizierung und soziale Wohnraumversorgung. In dieser Rolle weisen sie gesellschaftskritisch auf nicht gerechte Entwicklungen hin. Zum zweiten steht die Soziologie für theoretische Erklärung gesellschaftlicher Entwicklungen und damit für eine starke analytische Distanz zum aktuellen Geschehen. Zum Dritten steht die Soziologie für ihre empirischen Arbeiten, die gesellschaftlich Phänomene und Trends beobachten bzw. aufdecken. Der Vortrag argumentiert, dass es gerade das Zusammenspiel diese Bereiche ist, das zukunftsfähige Stadtentwicklung verantwortlich unterstützen kann.
Katrin Großmann hat Soziologie studiert und 2006 an der Philipps-Universität Marburg zum Diskurs über schrumpfende Städte promoviert. Sie forscht zu unterschiedlichen Teilfragen der nachhaltigen Stadtentwicklung wie den sozialen Dimensionen von Hitzebelastung in Städten, der Sozialverträglichkeit energetischer Sanierung bzw. der Energiearmut, oder der Frage nach gerechter, zukunftsfähiger Entwicklung von Quartieren. Ihre langjährige Beschäftigung mit schrumpfenden Städten verbindet sie mit weiteren Herausforderungen der Stadtentwicklung wie residentieller Segregation, energetischer Ertüchtigung oder der Entwicklungsdynamik von Quartieren.

Die Diskussion um die Durchführung von Co-Beratung als Beratung mit einem Berater/innenpaar ist im Kontext systemischer Beratung nicht neu, so Professorin Herrmann. Sie wird seit den 80er Jahren immer wieder aufgeworfen, zum Teil kontrovers diskutiert und hinterlässt in der Praxis offene Fragen. Der Vortrag nimmt den aktuellen Diskussionsstand auf. Zu Beginn verortet er Co-Beratung begrifflich vor dem Hintergrund systemischer Handlungsansätze und macht deren Stellenwert und Wirksamkeitsprämissen deutlich. In einem nächsten Schritt werden Handlungsfelder, die regelmäßig und fachlich begründet mit Co-Beratung operieren, benannt und zugehörige Indikationen identifiziert. Bezogen auf die systemische Paar- und Familienberatung werden dann Wirklichkeiten und Möglichkeiten einer Umsetzung in die aktuelle Beratungspraxis aufgeworfen, Vorteile von Co-Beratung dargestellt sowie Erfordernisse für eine professionelle Umsetzung formuliert.
Die in Naumburg/Saale gebürtige Professorin war nach ihrem Studium als Psychologin, als Fachberaterin, Referentin und Dozentin in sozial- und kindheitspädagogischen Arbeitsfeldern sowie als Leiterin einer Familienberatungsstelle tätig. Sie hat 2007 an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg promoviert.

Die Gestaltung von Beziehungen zwischen pädagogischen Fachkräften und Kindern ist „als Grundstein für alle Lern- und Bildungsprozesse von Kindern“ (Fröhlich-Gildhoff & Nentwig-Gesemann 2013, S. 7) unmittelbar mit der Entwicklung von Qualität in der frühen Bildung verbunden, so Professorin Remsperger. In den letzten Jahren rückte das Interaktionsgeschehen zwischen frühpädagogischen Fachkräften und Kindern daher immer stärker in den Fokus pädagogischer und entwicklungspsychologischer Forschung. Die Blickwinkel auf die Interaktionsgestaltung in frühpädagogischen Kontexten sind dabei höchst unterschiedlich: Während einerseits das professionelle Handeln der Fachkräfte sowie Rahmenbedingungen analysiert werden, die die Beziehungs- und Dialoggestaltung mit Kindern begünstigen, werden andererseits Interaktionsgelegenheiten im Alltag selbst und die Auswirkungen der Beziehungsqualität auf die Entwicklung von Kindern untersucht. Videostudien ermöglichen es zudem, die Wechselwirkungen der Interaktionsprozesse zwischen pädagogischen Fachkräften und Kindern sehr genau zu analysieren. Mit dem zunehmenden Wissen über ein „bildungsförderliches“ Interaktionsgeschehen im Elementarbereich wurde die Beziehungsgestaltung zu Kindern in der Fachdiskussion nicht nur als wesentlicher „didaktischer Schlüssel“ hervorgehoben (Viernickel & Stenger 2010), sondern die Gestaltung von Interaktion auch als „didaktisches Prinzip“ ausgerufen (König 2010). In meinem Vortrag soll nun das WIE der Interaktionsgestaltung in frühkindlichen Bildungsprozessen genauer beleuchtet und hinsichtlich der Übertragbarkeit auf Prozesse des lebenslangen Lernens hinterfragt werden.
Professorin Remsperger promovierte 2010 an der Johann Wolfgang Goethe-Universität (Frankfurt a.M.) und war bereits in verschiedenen Feldern der Beziehungsgestaltung in Bildungsprozessen, Gestaltung frühkindlicher Bildungsprozesse und Krippenpädagogik tätig, etwa im Projekt „Lernen vor Ort“ der Stadt Erfurt oder im Projekt „Thüringer Kindertageseinrichtungen auf dem Weg zum Eltern-Kind-Zentrum“ beim Thüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit.