Fischmarkt mit Rathaus
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Kurzer Abriss der Erfurter Stadtgeschichte

11. November 2020
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Die Landeshauptstadt Erfurt ist seit jeher der Zentralort Thüringens. Im Mittelalter zählte sie zu den glanzvollen Metropolen des Reiches mit der ältesten Universität Deutschlands und den Prägestätten Martin Luthers.

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Hartmann Schedel hat in seiner berühmten Weltchronik von 1493 Erfurt als das „Haupt des Thüringer Landes“ bezeichnet. Diese Stellung zieht sich wie ein roter Faden durch die Erfurter Geschichte – von den bedeutenden Funden aus der Zeit des Thüringer Königreiches im 6. Jahrhundert bis hin zur heutigen Landeshauptstadt des Freistaates Thüringen. Darüber hinaus gehörte Erfurt im Mittelalter zu den großen Metropolen des Reiches. Noch immer ist dies in seiner weitgehend erhaltenen Altstadt mit ihren zahlreichen Kulturdenkmalen nachvollziehbar. Mit den dreizehn Jahrhunderten schriftlich verbriefter Geschichte – die Kulturgeschichte im weiteren Sinne reicht bis zum ersten Faustkeil 30.000 Jahre zurück – sind viele bedeutende Ereignisse und Persönlichkeiten verbunden.

Die Mittelaltermetropole tritt zunächst als ein königlicher Zentralort ins Licht der Geschichte. Hier fanden wichtige Reichstage wie die Unterwerfung Heinrichs des Löwen unter Barbarossa 1181 statt. 742 von Bonifatius zum Sitz eines Bistums bestimmt, blieb es trotz der Angliederung an das Bistum Mainz das kirchliche Zentrum Thüringens. Um 1000 rückte der Mainzer Erzbischof zwar auch zum weltlichen Stadtherrn auf, doch seit dem 13. Jahrhundert erlangte Erfurt reichsstadtähnliche Autonomie. Symbolort jener kommunalen Selbstständigkeit war das Rathaus am Fischmarkt. Mit der Wasserburg Kapellendorf verfügte Erfurt sogar über ein Reichslehen, hinzu kamen zahlreiche Besitzungen im Umland wie das Forsthaus Willrode. Die Handels- und Kulturmetropole sowie Hansestadt an der Via regia, umgeben von zwei mächtigen Mauerringen und der Cyriaksburg sowie überstrahlt von den Stadtkronen Dom und Peterskirche, blühte v.a. dank des Blaufärbemittels Waid auf. Mit rund 20.000 Einwohnern zählte sie zu den größten Städten des Reiches und verfügte mit dem Brühl über ein ausgedehntes Gartenland innerhalb der Stadtmauern.

1379 erhielt Erfurt das Privileg für die älteste Universität im heutigen Deutschland, deren bekanntester Student und Lehrer Martin Luther war. Mit dessen Eintritt ins Erfurter Augustinerkloster1505 begann das Ringen um die Grundeinsichten der Reformation. Luthers Kirchenerneuerung fiel hier auf fruchtbaren Boden und wurde besonders von Johannes Lang, dem „Reformator Erfurts“, getragen. Der Erfurter Humanistenkreis in der Engelsburg um „Poetenkönig“ Helius Eobanus Hessus, aus dessen Reihen die legendären Dunkelmännerbriefe mit hervor gingen, trug ebenfalls zur kulturellen Blüte bei. Zuvor wirkten bereits bedeutende Denker des Mittelalters wie Meister Eckhart in Erfurt, das wegen seiner zahlreichen Kirchen als „Rom des Nordens“ galt. Auch die jüdische Gemeinde hat u.a. mit der ältesten erhaltenen Synagoge Mitteleuropas beeindruckende Spuren hinterlassen, die zum UNESCO-Weltkulturerbe zählen.

An der Schwelle zur Neuzeit war der Zenit allerdings überschritten, was sich im Tollen Jahr von Erfurt 1509/10 andeutete. 1664 folgte die Unterwerfung unter Mainz, wofür symbolisch die Zitadelle Petersberg steht. Aus jener Zeit leuchtet die Statthalterschaft Karl Theodor von Dalbergs hervor, zu dessen Kreis auch Goethe, Schiller, Wieland, Humboldt und Herder zählten, eng verbunden mit dem Haus Dacheröden. Zugleich wurzelt in dieser Epoche der Aufschwung des Gartenbaus. Dieser brachte Erfurt später den weltweiten Ruf einer Blumenstadt ein, deren Herzstück heute der 1961 als Internationale Gartenbauausstellung iga gegründete egapark bildet. Auch als Bachstadt darf sich Erfurt bezeichnen. Die 800-jährige Bindung an Mainz endete 1802 mit dem Übergang an Preußen, kurz unterbrochen von der „Franzosenzeit“ 1806-1814 mit Napoleons Erfurter Fürstenkongress 1808. In Folge der Revolution 1848 rückte die Stadt mit dem Erfurter Unionsparlament 1850 in den Fokus des demokratischen Einigungsprozesses in Deutschland. Nach den Reichseinigungskriegen mit der nahen Schlacht bei Langensalza 1866 und der Reichseinigung 1871 unter Otto von Bismarck stieg Erfurt zur modernen Industriegroßstadt auf, in der die SPD 1891 ihr wegweisendes Erfurter Programm verabschiedete. Ein Impulsgeber hierfür war der Anschluss an die Eisenbahn 1847. Zugleich bauten die Preußen die Festung und Garnison mit der gewaltigen Zitadelle Petersberg großzügig aus. Aus dem kolonialen Erbe jener Zeit ragt die Erfurter Südseesammlung heraus.

Im 20. Jahrhundert folgte das „Zeitalter der Extreme“ mit zwei Weltkriegen und Diktaturen. Auslöser war der Erste Weltkrieg 1914/18, auf den nach der Novemberrevolution die kurzlebige Weimarer Republik folgte. Während der Republik erlebte Erfurt sowohl blutigen Bürgerkrieg, gipfelnd im Kapp-Putsch 1920, als auch einen kulturellen und städtbaulichen Aufschwung in den „Goldenen Zwanzigern“. Hieran erinnern etwa die zahlreichen Bauwerke im Bauhaus-Stil und der Expressionismus im Angermuseum. Für reichsweite Furore sorgte der Besuch des „falschen Prinzen“ Harry Domela im Spitzenhotel Erfurter Hof 1926. Mit der Weltwirtschaftskrise 1929 setzten über den Umweg des Antisemiten Adolf Schmalix die Wahlerfolge der NSDAP ein, die 1932 zur stärksten Kraft aufstieg. Für die Verstrickung von Wirtschaft und Gesellschaft in die Verbrechen des Nationalsozialismus 1933-1945 steht die Firma Topf & Söhne, Hersteller der Öfen für Auschwitz. Dank relativ geringer Zerstörungen durch Luftangriffe konnte Erfurt sein historisches Stadtbild im Zweiten Weltkrieg weitgehend bewahren.

Nach amerikanischer Befreiung und raschem Besatzerwechsel gehörte die Stadt seit 1945/49 zur Sowjetischen Besatzungszone bzw. DDR. Im neuen, bis 1952 bestehenden Land Thüringen übernahm Erfurt kurzzeitig die Hauptstadtrolle von Weimar, woran das heutige Landtagshochhaus erinnert. Am 17. Juni 1953 kam es zum Aufstand gegen die SED-Herrschaft; das erste deutsch-deutsche Gipfeltreffen 1970 im Erfurter Hof mit dem Jubel der Erfurter für Willy Brandt wies bereits auf die Friedliche Revolution und deutsche Wiedervereinigung 1989/90 voraus. International auf die Blumenstadt aufmerksam machte auch die Gartenschau iga 1961, der heutige egapark, neben dem Zoopark (1959) die wichtigste neue Freizeiteinrichtung der DDR-Zeit. Mit der ersten Besetzung einer Stasi-Bezirksverwaltung am 4. Dezember 1989 und dem überwältigenden Empfang von Bundeskanzler Helmut Kohl am 20. Februar 1990 hatte Erfurt DDR-weite Signale gesetzt. Dank der „Wende“ konnte auch die 1988 geschlossene Städtepartnerschaft mit Mainz mit Leben erfüllt werden.

Heute ist Erfurt eine Großstadt von 215.000 Einwohnern mit beschaulicher Lebensqualität. Als Domstadt, Lutherstadt und Blumenstadt inmitten des Grünen Herzen Deutschlands, des Landes der Bratwurst und Klöße, zieht es viele Touristen an. Einen besonderen Charakter verleiht Erfurt, wenngleich der DDR-Städtebau nicht spurlos an ihm vorbeigegangen ist, seine weitgehend erhaltene Altstadt. Mit dem jüdischen Erbe erlangte es 2023 sogar den Status als UNESCO-Weltkulturerbe. Die Umstrukturierung von der Industriestadt zur Dienstleistungs- und Verwaltungsstadt ist weitgehend vollzogen, neue Wirtschaftszweige weisen in die Zukunft. Dies gilt auch für den Kindermedienstandort, die 1994 wiedergegründete Universität und die Fachhochschule, das Bundesarbeitsgericht und die traditionsreiche Sportstadt. Zudem fand die alte Rolle Erfurts als „heimliche Hauptstadt“ Thüringens 1990 ihre Umwandlung zur offiziellen Landeshauptstadt. Große Entwicklungsimpulse verliehen in jüngster Zeit das ICE-Drehkreuz 2017, die Bundesgartenschau 2021 und der Status UNESCO-Weltkulturerbe 2023.

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