Prof. Dr. Andreas Goldthau (Foto: Daniel Vegel)

Nachgefragt: „Katapultiert der Ölpreis die ohnehin fragile Weltwirtschaft jetzt in eine neue Rezession, Prof. Goldthau?“

18. September 2019
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Rohöl ist aktuell so
teuer wie seit Monaten nicht mehr. Der Ölpreis stieg Anfang der Woche um 20
Prozent auf rund 66 US-Dollar, der größte Kurssprung seit 28 Jahren. Der Grund
dafür: ein Drohnenangriff auf Ölraffinerien in Saudi-Arabien. Wird die weltweite
Energieversorgung nun noch teurer und katapultiert der Ölpreis die ohnehin
fragile Weltwirtschaft in eine neue Rezession? „WortMelder“ hat bei Andreas
Goldthau, Franz Haniel Professor an der Willy Brandt School of Public Policy
der Universität Erfurt, nachgefragt…

„Kurzfristig haben die Märkte in der Tat mit einem deutlichen Preisaufschlag auf Rohöl reagiert. Angesichts der Tatsache, dass etwa fünf Prozent des Angebots unvermittelt vom Markt genommen wurden, war dies jedoch kein Anzeichen von Panik. Man hat also durchaus die größeren Rahmenbedingungen im Blick – eine sich abkühlende Weltwirtschaft, ein gut versorgter Ölmarkt und nicht ausgeschöpfte Förderkapazitäten in der OPEC, dem Ölkartell. Zudem halten die meisten Staaten strategische Ölreserven – in der OECD liegen diese bei 90 Tagen an Öl-Nachfrage. Diese Bevorratung kann auf den Markt geworfen werden und dämpft somit das Angebotsdefizit und die Preise. Saudi-Arabien hat angekündigt, bis Ende September 2019 seine volle Förderkapazität wiederherzustellen, und zudem seine Lieferverpflichtungen bei Öl und Ölprodukten vollumfänglich einzuhalten. Reparaturen in Abqaiq und Khurais laufen. Die Energieversorgung bei Öl ist also gesichert.

Was bleibt ist die Frage, ob sich die Preise wieder bei Vor-Angriffsniveau einpendeln werden. Hier sind Zweifel angebracht. Zum einen wurde schmerzhaft klar, wie verwundbar das Herzstück der saudischen Ölförderung ist. Abqaiq – die weltweit größte Ölverarbeitungs-Anlage – veredelt große Teile des Rohöls für den Export. Die Anlage effektiv zu schützen, wird Hauptaufgabe nach dem Wiederaufbau sein, und dies ist nicht kurzfristig sicherzustellen. Zum anderen hat der Drohnenangriff die Spannungen am Golf drastisch zugespitzt. Die Eskalation lässt eine militärische Auseinandersetzung zwischen den Vebründeten Saudi-Arabien und den USA sowie Iran in gefährliche Nähe rücken: Amerika sei ‚locked an loaded‘, wie Präsident Trump tweetete. Damit wird Öl absehbar mit einer ‚Golf-Risikoprämie‘ versehen werden, was ein strukturell höheres Preisniveau bedeutet.

Für die Weltwirtschaft wird jedoch letzten Endes entscheidend sein, wie sich der Handelskrieg zwischen den USA und China entwickelt. Hier liegen die größten Risiken, denn es befinden sich die beiden bedeutendsten Handelsblöcke miteinander im Clinch. Eine Einigung ist nicht in Sicht, im Gegenteil, auch hier dreht sich die Eskalationsspirale. Ein hoher Ölpreis könnte dann der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt – mit der Folge einer weltweiten Rezession.“

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Quelle: https://aktuell.uni-erfurt.de/2019/09/18/nachgefragt-katapultiert-der-oelpreis-die-ohnehin-fragile-weltwirtschaft-jetzt-in-eine-neue-rezession-prof-goldthau/