So funktioniert die Energiewende in Erfurt

So funktioniert die Energiewende in Erfurt

14. Juni 2022
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Energiewende – zwölf Buchstaben, die es in sich haben. Es geht um viel Geld, es geht um die Zukunft, es ist eine gewaltige Herausforderung. Einer, der auch dafür sorgen muss, dass die Energiewende gelingt, ist Frank Heidemann. Er ist Chef der SWE Netz GmbH, des Unternehmens, das dafür da ist,  dass die Haushalte der Landeshauptstadt zuverlässig mit Strom und Gas versorgt werden.

„Wir stecken mitten in einem großen Umbruch, wir müssen grundlegend umdenken“, sagt Frank Heidemann. Es ist wie ein Puzzle – um die Energiewende zu stemmen, muss an vielen Aufgaben gleichzeitig gearbeitet werden: „Die Puzzleteile einzeln betrachtet sind kaum zu verstehen, aber fügt man sie zusammen, dann ergeben sie in Summe ein Bild.“

Es sind fünf Puzzleteile: Erzeugungsanlagen, Stromnetz, Netzleitstelle, Messwesen und Mobilfunk. Die Puzzleteile Erzeugungsanlagen, wie zum Beispiel Fotovoltaik und Wind sowie das Stromnetz, sind die dicksten Brocken. „Die Anlagen  müssen an das Stromnetz angeschlossen werden. Wir nehmen die Energiemengen auf und transportieren sie zu den Verbrauchern – das ist eine technische Herausforderung mit steigender Tendenz“, sagt Heidemann. Das Netz muss leistungsfähig sein und wird kontinuierlich ausgebaut. So wurde 2019 für 10 Mio. Euro ein neues Umspannwerk in Betrieb genommen, ein weiteres ist in Planung.

Die zweite Herausforderung: den Energiebedarf, den Industrie, Gewerbe und Bevölkerung haben, mit der erzeugten Leistung der Kraftwerke, Fotovoltaik und Wind in Einklang zu bringen. „Es darf nur so viel Energie erzeugt werden, wie auch verbraucht wird.“ Sobald sich die Waage zu der einen oder anderen Seite neigt, droht ein Blackout.

Früher war das alles einfacher: „Da gab es rund 100 große zentrale Kraftwerke in Deutschland, wie zum Beispiel Kohlekraftwerke, die rund um die Uhr auf hohem Niveau Strom erzeugt haben“. Gab es einmal ein Zuwenig an Strom, konnten sehr flexible Spitzenlastkraftwerke (wie Gaskraftwerke) schnell zu- oder abgeschaltet werden. Da die großen Kraftwerke nach und nach durch eine Vielzahl von alternativen Erzeugungsanlagen ersetzt werden, spielt die Netzsteuerung eine immer größere Rolle.

Denn: Wind und Sonne sind nicht ständig verfügbar, produzieren mal mehr, mal weniger Strom. „Unser Ziel muss sein, dass Verbrauch und erzeugte Menge sich die Waage halten. Nehmen wir an, es wird aufgrund eines starken Windaufkommens oder sehr viel Sonne mehr Energie erzeugt, als zeitgleich verbraucht wird, dann müssen wir die PV-Anlagen abregeln, die Windräder aus dem Wind drehen oder zusätzliche Verbraucher anschließen.“

„Redispatch“ heißt das Ganze, das Angebot und Nachfrage deutschlandweit steuert. „Ein intelligentes Netzleitsystem erkennt mögliche Schwachstellen, Engpässe oder Steuerbedarfe“, sagt Heidemann. Energieerzeuger müssen Prognosen erstellen, wie viel regenerative Energie sie heute und morgen erzeugen können, Netzbetreiber wie die SWE Erfurt Netz prognostizieren, was in ihrem Versorgungsgebiet verbraucht wird. „Und wenn das in Schieflage gerät, müssen wir steuernd eingreifen.“

„Wir brauchen zusätzlich zu diesem Steuerungsinstrument ein intelligentes Messsystem, um bei Erzeugern, Verbrauchern – zum Beispiel Stromtankstellen –, aber auch aus dem Netz selber wichtige Informationen abzugreifen, um gegebenenfalls eingreifen zu können. Diese Daten werden im Netzleitsystem verarbeitet“, sagt Heidemann.

Mit Brieftauben werden die Daten nicht mehr transportiert.Dafür besitzt die SWE Netz ein LWL-Netz (Glasfaser) oder nutzt Mobilfunk. In Zukunft, und damit sind wir beim letzten Puzzleteil, wird die SWE Netz ab 2023 die Daten mit der Funkfrequenz 450 Megahertz transportieren. In Deutschland wurde diese Frequenz vor Kurzem der kritischen Infrastruktur Strom, Gas und Wasser zugesprochen. Somit soll sichergestellt werden, dass die Übertragungswege per Funk krisenfest und ausfallsicher sind.

Während die Modernisierung des Netzleitsystems fast abgeschlossen ist, werden die intelligenten Messsysteme zurzeit bei ausgewählten Verbrauchern (ab 6.000 kWh) und perspektivisch bei Erzeugern eingebaut. „Diese intelligenten Messsysteme können aber auch durch die Lieferanten genutzt werden, um perspektivisch neue, zeitabhängige Stromprodukte anbieten zu können. Es wird noch eine Weile dauern, bis es soweit ist“.

Eine weitere Herausforderung für die Netzmanager ist die steigende Nachfrage nach E-Mobilität. Immer mehr E-Autos brauchen immer mehr Energie, die durch das Netz fließt. Ladesäulen von 50 bis zu 150 kW zerren mancherorts an der Leistungsfähigkeit. „Wir haben das Erfurter Netz in verschiedene Mustergebiete unterteilt: Alt- und Neubaugebiet, Gewerbe und Mischgebiet. Wir wollten wissen: Wie ist die Prognose für E-Mobilität und wie sind in diesen Regionen unsere Netzkapazitäten?“, sagte Frank Heidemann. Das Ergebnis: „Pauschal können wir sagen, dass unser Netz noch bis zu 40 Prozent Reserven hat.“

Auch die Ladepunkte werden mit einem intelligenten Messsystem versehen. Sollte die Kapazitätsgrenze bei den Netzen mal erreicht werden, ist intelligentes, also gesteuertes Laden angesagt. Heidemann: „Sicherlich werden wir nicht herumkommen, irgendwann unser Netz auszubauen. Darum brauchen wir verlässliche Prognosen und ausreichend Planungszeit.“

Ein weiterer wichtiger Baustein in Sachen Energiewende ist grüner Wasserstoff. Der soll langfristig Erdgas ersetzen: „Dafür haben wir eine perfekte Infrastruktur. Deshalb perfekt für den Wasserstofftransport, weil die Netze grundsätzlich auch für den Transport von Wasserstoff geeignet sind. Wir müssen nur gewisse technische Anlagen austauschen.“

Allerdings muss Gerätetechnik bei den Kunden Wasserstoff auch verarbeiten können. „Bei einer bis zu 20 prozentigen Beimischung von Wasserstoff zum Erdgas ist das kein Problem“, sagt Heidemann. Bei 100 Prozent müssen die Anwendungsgeräte, also zum Beispiel Heizanlagen, auf Wasserstoff umgestellt werden. „Eine solche Umstellung hatten wir übrigens schon einmal – nach der Wende wurde von Stadt- auf Erdgas umgestellt.“

Frank Heidemann ist optimistisch, dass die Energiewende gelingt: „Wenn man es mit einem Marathon vergleicht, haben wir die ersten 10 Kilometer schon hinter uns – wir haben vorher gut trainiert und uns alles gut überlegt. Und wir haben immer das Ziel vor Augen…“


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