Rainald Grebe: Ein Großmeister war in der Messe

11. April 2014
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Rainald Grebe & das Orchester der Versöhnung in der Messe Erfurt. 
Rainald Grebe – Kabarettist, Schauspieler, Liedermacher und nicht zuletzt Autor. 

Jahrelang sang er allein am Klavier. Dann tourte er im Trio mit der Kapelle der Versöhnung. Jetzt kam er mit Orchester in die Nähe seiner alte Wirkungsstätte. Wobei dieser Klangkörper natürlich kein normales Orchester sein kann und Grebe kein Impresario mit Schal und Taktstock. Ein schäbiger, pompöser, pathetischer Zirkus soll es werden, sagte Grebe. Und ich wusste es: Es wurde zum Heulen schön.

Rainald Grebe ist ein Fixstern. Ein Ausnahmekünstler. Seine Programme gehören definitiv zum Besten, intelligentesten und nicht zuletzt zum komischsten, was man derzeit auf deutschen Bühnen erleben kann. 

Geboren 1971 war irgendwie klar, dass aufgrund seiner bildungsbürgerlichen Prägung nichts völlig unintelligentes mit ihm passieren würde. Was er, nach einem kurzen Abstecher als freier Künstler, nach dem Zivildienst, an der staatlichen „Ernst-Busch-Akademie“ für Schauspielkunst als diplomierter Puppenspieler unter Beweis stellte. 

Rainald Grebe ist der Ossis liebster Wessi. Und der Wessis schlauster Ossi. Ein Phänomen. Von wegen Vereinigung, von wegen Versöhnung, es lebe der kleine Unterschied! 
Und den findet Rainald Grebe mit untrüglichem Spürsinn in jeder noch so weichen Heimatseele. 
Kaum hat sich ein Bild verfestigt und scheint die richtige Schublade gefunden zwischen Schauspieler/Dramaturg/Puppenspieler/Komiker/Autor/Musiker etc., steht schon ein neuer Rainald Grebe auf irgendeiner Bühne und zeigt uns die beständige geniale Unbeständigkeit.



Es ist deshalb auch nur reine Melancholie, dem Puppenspieler Grebe nachzutrauern, der mit Möhren und Mixern gewaltigste Infernos entfachte, dem Komiker Grebe, der in den 1990ern den frühen Quatsch Comedy Club im TV mitprägte, oder dem Schauspieler und Dramaturgen Grebe, der nicht weit am Jenaer Theaterhaus herrliche Jahre mitgestaltete.

Nein, es ist Melancholie, wenn man dafür nun, auf der großen Bühne, den Musiker Grebe haben kann. Denn Musiker ist er, das zeigt der gesamte Lebensweg, wohl doch von allen Dingen am meisten. Ein eigentlich zarter, feiner, oft tieftrauriger Musiker und erstklassiger Pianist, der gern die Narrenkappe aufsetzt und damit dem deutschen Liedgut einige der absurdesten und schönsten Songs geschenkt hat.

Unberechenbar in seiner Ideenfindung, genial in ihrer künstlerischen Umsetzung, eigenwillig einmalig in deren Präsentation zeichnen seine komisch-maskierten Lieder ein Befindlichkeitsbild des Landes und seiner Menschen.

Für die perfekte Umsetzung sorgt das Orchester der Versöhnung mit illustrer Besetzung.



“Ich will kein normales Orchester, wo ich vorne im Rampenlicht stehe und hinten dudelt die Belegschaft die Soße dazu. Jeder einzelne ist wichtig. Und unberechenbar. Der Bassist spielt auch Alphorn. Der Drummer rezitiert aus dem Alten Testament. Der DJ kann eh alle ersetzen, weil er das ganze Orchester im Laptop hat.”



Auf dem Weg nach oben angekommen, schaut Rainald Grebe – der Mann, der alltägliche, volksnahe und immer auch aktuelle Themen auf seine bizarre und eigene Art und Weise zugänglich zu interpretieren vermag – zurück. 
Der Mann, der politisch wie menschlich genauso weit links wie unten zu verorten ist, muss sich so langsam mit den Sorgen des kleinen Mannes nicht mehr herum schlagen. 
Von Luxusproblemen geplagt – die sind schließlich besser als gar keine – isst er sogar von demselben Buffet wie die Kritisierten. Auch wenn die sich selbst wohl ein Stück weiter oben auf der Leiter sehen. 

Umso wohltuender und sympathischer ist es, dass dieser geniale Künstler gern auch in kleineren, wie er selbst sagt „merkwürdigen Butzen“ spielt. Das ist mehr als gut so. 
Rainald Grebe ist Gewinner vieler Preise. So des Prix Pantheon, des Deutschen Kleinkunstpreises sowie des Bayerischen Kabarettpreises.

Voll geballter Erwartung marschierte ich am Freitag in die Messe. Mit großer Zufriedenheit und Begeisterung verließ ich diese. Wiedermal ein Fest mit absolutem Kultcharakter.
Was für ein toller Abend! Ja, zweifellos, ein Großmeister war in der Messe.