140 Jahre Pferdebahn

140 Jahre Pferdebahn

12. Mai 2023
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1883: Nach nur dreimonatiger Bauzeit nimmt die “Erfurter Straßen-Eisenbahn” am 13. Mai mit Pferd und Wagen den Betrieb zwischen der Gemeinde Ilversgehoven (Papiermühlenweg) und dem Gasthaus “Flora” (Steigerstraße) sowie zwischen Hirschgarten und Schießhaus (Thüringenhalle) auf. Im Herbst folgt eine dritte Linie zwischen Andreastor (Moritzwallstraße) und Hauptbahnhof. Die Linien werden mit Farben gekennzeichnet. Das Streckennetz beträgt knapp neun Kilometer. Erbauer und Betreiber ist die Firma Marcks & Balke, Berlin. Sie tritt die Konzession jedoch schon ein Jahr später an ein Konsortium privater Aktionäre ab, die im November 1884 die “Erfurter Straßenbahn AG” gründen.

Ein zweispänniger Pferdewagen, Baujahr 1883, auf dem Weg zum Anger. Im Hintergrund Hirschgarten und Statthalterei.

Beginn der Pferdebahn in Erfurt

In der Mitte des Jahres 1882 schrieb der Magistrat der Stadt Erfurt die Konzession für eine Pferdebahn öffentlich aus.

Das Wappenzeichen der Erfurter Straßen-Eisenbahn.

Grund war nicht, wie oft geschrieben, eine Verbesserung der verkehrlichen Situation in der Stadt, sondern der Umstand, dass die meisten Pferde- und Dampfbahnen jener Zeit Gewinne abwarfen, die zu entsprechenden Gewerbesteuereinnahmen führten. Ohnehin konnten sich zu der Zeit die meisten Arbeiter eine tägliche Fahrt mit solchen Verkehrsmitteln nicht leisten, sie blieben der besser betuchten bürgerlichen Klientel vorbehalten. Allenfalls Ausflugsziele führten an den Wochenenden und Feiertagen zu breiterer Nutzung.

Liniennetz der Erfurter Pferdebahn —- gelbe Linie; …..grüne Linie; ___ rote Linie

Dies findet sich auch in den zunächst realisierten Erfurter Linien wieder: llversgehofen (Johannesfeld – die Verlängerung zum Nordbahnhof erfolgte später) – Anger – Flora, Hirschgarten – Schützenhaus und Bahnhof – Andreastor.Noch ein zweiter Aspekt spielte eine Rolle. Jede aufstrebende Stadt wollte eine Infrastruktur vorweisen, die Modernität ausstrahlte und werbend auf Industrieansiedlung und Zuzug von Einwohnern wirkte. Hat nicht immer funktioniert, aber in Erfurt schon.

Der Gewinner der Ausschreibung war die Berliner Eisenbahn- und Straßenbaufirma Marcks & Balke, die am 29.11.1882 mit der Stadt den Vertrag über den Bau und den Betrieb der Pferdebahn abschloss und unverzüglich mit den Vermessungs- und Bauarbeiten begann.

Initialen der Erbauer am alten Depot in der Magdeburger Allee 34

Man stelle sich das heute vor: Baurecht schaffen, Bauunterlagen genehmigen lassen, Anwohner fragen, Gerichtsentscheide abwarten, Baumaterial ordern – dauert Jahre…. Zugleich erfolgte eine Pflasterung der betreffenden Straßen, soweit dies noch nicht erfolgt war.

Drei Dinge waren parallel zu den Arbeiten zu klären. Zum einen musste die damals selbständige Gemeinde Ilversgehofen in die Verträge eingebunden werden, auch hinsichtlich der Kostenbeteiligungen. Der damalige Oberbürgermeister Richard Breslau verhandelte geschickt, und als Gegenleistung für die Beteiligung Ilversgehofens wurde die notwendige Remise für die Wagen und Stallungen für die Pferde an der Johanneschaussee – der heutigen Magdeburger Allee- erbaut und damit auch ein potentieller Arbeitsort für die Einwohner der nördlichen Gemeinde.

Gedenkblatt zur Eröffnung der Erfurter Pferdebahn

Zum Zweiten musste eine Genehmigung der Königlichen Eisenbahndirektion Erfurt eingeholt werden, deren Gleise in der Löberstraße und auf der Steigerchaussee (heute Schillerstraße) im Zuge der vorhandenen Bahnübergänge zu kreuzen waren. Erst die Höherlegung der Bahnanlagen ab 1893 machten die Bahnübergänge obsolet. Und dann brauchte man drittens natürlich auch noch die Pferde, Wagen und Anzustellenden.

Nach entsprechenden Probefahrten wurden rund 6 Monate später (!), am 13.5.1883 die Ilversgehofener Linie und die Schützenhauslinie in Betrieb genommen.

Fahrplan bei der Betriebseröffnung am 13. Mai 1883.

Die Wagen waren mit einer roten bzw. grünen Scheibe gekennzeichnet, denn Lesen konnte trotz inzwischen eingeführter Schulpflicht noch lange nicht jeder. Als Wagenfolge waren 20 Minuten vereinbart, bei entsprechender Notwendigkeit war der Takt zu verkürzen, was in erster Linie den Ausflugsverkehr betraf. Dieser Verdichtung waren allerdings durch die eingleisigen Strecken Grenzen gesetzt.

Porträt eines treuen Helfers.

Die Inbetriebnahme der dritten – gelben – Linie versagte die Polizeibehörde übrigens, weil das Gleis in der Schlösserstraße und in der Bahnhofstraße zu nahe am Bürgersteig lag. Nach der Korrektur konnte auch diese Linie im Herbst in Betrieb gehen, allerdings liegt das genaue Datum im Dunkeln. Nun ja -140 Jahre später… Zeitzeugen können sich ja melden. Jedenfalls dauerte die Korrektur so verhältnismäßig lange, weil die Firma ihre Berliner Facharbeiter bereits zur nächsten Baustelle geschickt hatte.

Wann genau alle Wagen und Pferde verfügbar waren, ist nicht bekannt. Der Geschäftsbericht des ersten Jahres weist jedenfalls 19 Wagen, 50 Pferde und 51 Beschäftigte aus.

Bleiben Sie gespannt: In den nächsten Wochen folgt im zweiten Teil der Historie mehr zu den Fahrzeugen und zum täglichen Betrieb.


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