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Antrag auf Zulassung des Bürgerbegehrens in Marbach widerspricht Bauplanungsrecht

26. Juli 2016
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Der Antrag auf Zulassung des Bürgerbegehrens ging am Montag, den 27. Juni 2016 in der Stadtverwaltung ein. Die Prüfung auf rechtliche Zulässigkeit ergab, dass der Antrag förmlich abzulehnen war.

Das Verfahren eines sogenannten Bürgerbegehrens ist in der Thüringer Kommunalordnung geregelt. Demnach kann über wichtige Angelegenhei­ten des eigenen Wirkungskreises einer Kommune ein solches Verfahren durchgeführt werden. Der Antrag mit der Bezeichnung „Keine Anlagen für kirchliche und kulturelle Zwecke im Gebiet des Bebauungsplanes MAR 071“ enthält die Fragestellungen:

„Sind Sie dafür, dass

1.) der Bebauungsplan MAR071 „Gebiet zwischen Schwarzburger Straße / B4 und geplanter Straßenanbindung an die B4 (Gefahrenschutzzentrum)“ dahingehend geändert wird, dass Anlagen für kirchliche und kulturelle Zwecke nicht errichtet werden dürfen (auch nicht ausnahmsweise),

2.) bis zur Änderung des Bebauungsplans MAR071 der Stadt Erfurt eine Veränderungssperre für den geplanten Bereich erlassen wird und

3.) von der Gemeinde unverzüglich beantragt wird, dass Entscheidungen über die Zulässigkeit von Bauvorhaben für Anlagen kirchlicher und kultureller Zwecke im Gebiet des Bebauungsplans MAR071 der Stadt Erfurt weitest möglich zurückzustellen sind?“

Zur Begründung wurde Folgendes ausgeführt:

„Mit dem Bürgerbegehren soll sichergestellt werden, dass die noch vor­handenen Flächen im Bereich des oben genannten Bebauungsplans für dienstleistungsorientierte Handwerks- und Gewerbebetriebe gesichert werden. Anlagen für kirchliche und kulturelle Zwecke sind im Plangebiet […] nicht erwünscht, da diese dem Entwicklungsziel des Gewerbegebiets entgegenstehen. Auch soll durch den Ausschluss solcher Anlagen eine be­sondere Verkehrsbelastung für die im Gewerbegebiet allgemein zulässigen Nutzungen vermieden werden, die durch besonders hohen An- und Abreise­verkehr unmittelbar vor und nach Veranstaltungen hervorgerufen werden.“

Im Wesentlichen geht es dem Antragsteller um drei Dinge:

1) Der bestehende Bebauungsplan soll dahingehend geändert werden, dass im abseits von Marbach liegenden Gewerbegebiet „Gefahren­schutzzentrum“ bauliche Anlagen für kirchliche und kulturelle Zwecke zukünftig nicht errichtet werden dürfen.

2) Bis zu einer eventuellen Änderung des Bebauungsplanes soll eine so genannte Veränderungssperre erlassen werden, d. h. bis dahin darf zunächst kein Bau für kulturelle oder kirchliche Zwecke zugelassen werden.

3) Laufende Anträge für Anlagen kirchlicher oder kultureller Art sollen zurückgestellt werden.

Die Stadt Erfurt hat geprüft, ob der Antrag rechtlich zulässig ist. Im Ergebnis einer solchen Prüfung wird die Zulassung des Antrages entweder förmlich abgelehnt oder ihr förmlich stattgegeben. Wird der Antrag der Antragsteller abgelehnt, kann beim Verwaltungsgericht in Weimar eine Klage auf Zu­lassung des Bürgerbegehrens eingereicht werden. Nach eingehender Prüfung war der gestellte Antrag förmlich abzulehnen.

Begründung der Ablehnung des Antrages
Bürgerbegehren sind nach der Thüringer Kommunalordnung u. a. dann unzulässig, wenn sie gesetzwidrige Ziele verfolgen. Das ist hier der Fall.

Generell können Grundsatzentscheidungen der baulichen Entwicklung Gegenstand eines Bürgerbegehrens sein. Bebauungsplanverfahren sind jedoch durch das Baugesetzbuch und die Rechtsprechung streng normiert. Es ist erforderlich, vor der Entscheidung alle abwägungsrelevanten privaten und öffentlichen Belange zu ermitteln, zu gewichten und gerecht miteinander und untereinander abzuwägen. Dafür muss der Abwägungsprozess ergebnisoffen gestaltet werden.

Ein Bürgerbegehren, das, wie im Wortlaut der Frage 1, mit seiner bindenden Entscheidung dem vorgreift, würde zu einem Abwägungsausfall und damit zu einem Verstoß gegen das in § 1 Abs. 7 BauGB vorgeschriebene Abwägungs­gebot verstoßen. Damit wäre das Begehren nach § 17 Abs. 2 Nr. 8 ThürKO nicht zulässig.

Die beantragte Änderung des Bebauungsplans ist zudem nur zulässig, so­fern hierfür eine Planrechtfertigung im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB vorliegt; die beantragte Änderung des Bebauungsplans wäre also nur mit gerechtfertigten Änderungsgründen zulässig. Das Bürgerbegehren begründet den Ausschluss von Anlagen für kirchliche und kulturelle Zwecke damit, dass dienstleistungsorientierte Handwerks- und Gewerbebetriebe gesichert werden sollen. Da im Bebauungsplan eine Vielzahl weiterer Nutzungen zu­lässig bleibt, die nicht den dienstleistende Handwerks- und Gewerbetriebe zuzurechnen sind, kann das verfolgte Ziel mit der Festsetzungsänderung in Frage 1 nicht erreicht werden.

Einzelne Nutzungsarten dürfen planungsrechtlich nur dann ausgeschlossen werden, wenn der Ausschluss städtebaulich gerechtfertigt und anhand eines schlüssigen Plankonzepts als geeignet, erforderlich und angemessen einzu­schätzen ist. Ein Bebauungsplan der ohne städtebauliches Konzept der bloßen Verhinderung eines Vorhabens dient, ist unzulässig und gesetzwidrig.

Da die Fragen 2 und 3 lediglich der Sicherung der Frage 1) dienen und die Zulässigkeit der Frage 1 voraussetzen, ergibt sich aus der Prüfung des Antrages durch die Stadtverwaltung Erfurt die Gesamtunzulässigkeit des Bürgerbegehrens. Die rechtlichen Voraussetzungen für eine Veränderungs­sperre oder eine Zurückstellung sind ebenfalls nicht gegeben.